Molteni Heritage Collection
Im Jahr 2012 legte Molteni die Gio Ponti Collection auf, die historische Möbelentwürfe des modernen Architekten umfasst. Die 2012 wiederaufgelegten Entwürfe reichen dabei zurück bis ins Jahr 1938 und decken einen Zeitraum bis 1957 ab. Teils entstanden sie für Gio Pontis eigenes Wohnhaus – die Casa Ponti in Mailand – teils dienten sie zur Möblierung von Büros der Allitalia oder wurden in den USA im Programm des Möbelherstellers Singer & Sons angeboten.
Besonders prominent aber ist der 1938 entworfene Montecatini Stuhl. Dieser richtungsweisende Entwurf diente zur Möblierung des ebenfalls von Ponti entworfenen Bürogebäudes Primo Palazzo Montecatini, dem Hauptsitz des aluminiumverarbeitenden Unternehmens Montecatini. Da ist es nur folgerichtig, dass auch der Stuhl maßgeblich vom Material Aluminium bestimmt ist. Seine zierlich-dekorative Erscheinung entsteht durch das gefühlvoll gestaltete Gestell aus gebogenem Aluminiumrohr. Gleichzeitig optimierte Ponti den Stuhl auch auf eine effiziente industrielle Fertigung hin: aus wenigen standardisierten Teilen konnten sechs verschiedene Varianten des Stuhl zusammengesetzt werden.
Ermutigt vom großen Erfolg der Gio Ponti Collection und begünstigt durch die Ausstellung Molteni80!, die das Unternehmen 2014 zum 80-jährigen Firmenjubiläum veranstaltete, setzte sich Molteni in den folgenden Jahren immer intensiver mit der eigenen Vergangenheit auseinander und stieß auf bezaubernde Entwürfe aus der Zeit um die Mitte des Zwanzigsten Jahrhunderts und bis hinein in die 1980er Jahre. Im Jahr 2016 wurde am Firmensitz in Giussano das Molteni Museum mit eigenem historischem Archiv gegründet und die Gio Ponti Collection wurde zur Heritage Collection umgewidmet.
Neben weiteren Entwürfen von Gio Ponti, etwa einem 1954 zur Einrichtung seiner Villa Planchart in Caracas entworfenen, spektakulär raumgreifenden Sessel, wurden nun auch Entwürfe anderer Designer in die kuratierte Auswahl aufgenommen und wiederaufgelegt. So umfasst die Heritage Collection etwa auch eine Kommode des schweizerischen Designers Werner Blaser: Als 1955 in dem Ort Cantù bei Mailand die sogenannte Selettiva di Cantù stattfand, ein Wettbewerb für modernes Möbeldesign, übernahm Molteni die Aufgabe, die Prototypen zu fertigen. Blaser, der sich auf einer Reise durch Japan hatte inspirieren lassen, legte einen Entwurf vor, der von den raffinierten, eleganten und schlichten Fügetechniken der traditionellen japanischen Schreinerei inspiriert war. Da die Entwürfe anonym bewertet wurden, ging die mit Gio Ponti, Alvar Aalto und Finn Juhl prominent besetzte Jury davon aus, der Entwurf stamme von einem japanischen Designer. Blasers asiatisch inspirierte Kommode überzeugte die Jury und gewann den ersten Preis.
Vier Jahre später beteiligte sich Molteni mit einem modularen Regalsystem nach einem Entwurf von Yasuhiko Itoh an der Selettiva, das nun auch als Teil der Heritage Collection erhältlich ist. Ironischerweise orientiert sich Itoh, der im Gegensatz zu Blaser tatsächlich aus Japan stammt, keineswegs an traditionellen japanischen Handwerkstechniken, sondern widmet sich voll der stärker industriell geprägten Formholztechnik. Seine Regalmodule bestehen aus formverleimtem Schichtholz, das Schichten von Irokoholz, Pappel und Teak miteinander verbindet.
Abgerundet wird die Heritage Collection von einem Entwurf von Tobia Scarpa. Der Sohn des Architekten und Designers Carlo Scarpa, ergriff denselben Beruf wie sein Vater. Er studierte in Venedig Architektur und arbeitete später mit seiner Frau Afra zusammen, die er im Studium kennengelernt hatte. Gemeinsam zählt das Paar zu den vielseitigsten Gestaltern überhaupt. Ihr Werk umspannt alle Maßstäbe. Vom Kleinen zum Großen entwarfen die Scarpas Gebrauchsgegenstände und Möbel, Gebäude und städtebauliche Strukturen. In den 1970er und 80er Jahren schufen sie auch einige Möbelentwürfe für Molteni. Einer der elegantesten dieser Entwürfe ist der Armlehnstuhl Miss; eine ausgewogene Komposition organischer Formen und fließender Linien aus gebogenem Eschenholz. Genau dreißig Jahre nach seiner ursprünglichen Markteinführung im Jahr 1986, wurde der postmoderne Bugholzstuhl als jüngster Entwurf der Heritage Collection wieder aufgelegt. Tobia Scarpa persönlich nahm aus diesem Anlass eine behutsame Anpassung des ursprünglichen Entwurfs vor. Die Mühe hat sich gelohnt, denn das elegante Möbelstück wurde mit dem Wallpaper Design Award für die beste Wiederauflage ausgezeichnet.