Lovell Easy Lounge Chair von Richard Neutra

Dieser Richard Neutra Entwurf stammt aus den 1920er Jahren und wurde von dem Architekten ursprünglich für das Lovell House in Kalifornien entworfen. Allerdings wurde der Sessel damals nicht in der Form realisiert, erst durch die Edition von VS Möbel wurde der Lovell Easy Lounge Chair 2014 erstmalig umgesetzt.

Hier stellt sich natürlich wieder die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, alte Entwürfe des 20. Jahrhunderts neu umzusetzen. Exemplarisch gilt das Gleiche für den Press Room Chair von Gerrit Rietveld, der damals für die UNESCO gedacht war – aber auch aus Kostengründen nie realisiert wurde. Wie wir dem Netz entnehmen durften, sind die Meinungen darüber geteilt. So schrieb die Zeitschrift Art in dem Beitrag “Der große Retro-Schwindel” über den Neutra Entwurf: Eine alte Skizze eines großen Designers reicht, schon entsteht ein neuer Klassiker, den es so nie gab. Etwa der Lovell Easy Chair von Richard Neutra. Eine Variante in Holz wurde 1929 tatsächlich für das Lovell Health House in Los Angeles ausgeführt. In Stahlrohr aber gab es den Sessel nur als Zeichnung – die verführerisch schön ist, zugegeben. Die Vereinigten Spezialmöbelfabriken schmiedeten daraus einen »Klassiker«, wohl wissend, dass es keine Konstruktionspläne gab. Sie vermaßen das Schwester-Holzmodell und ließen von einem Gestalter eine dreidimensionale Interpretation der Skizze anfertigen. Es handelt sich also eher um eine Neuschöpfung…

Dies mag ja alles zutreffend sein. Aber nach unserer Meinung ist gerade dieser Entwurf von Richard Neutra sehr wichtig, denn er verbindet von der Form- und Materialgebung noch die alte Welt (Bauhaus etc.) mit der kommenden Leichtigkeit des Mid Century Modern. Ein Designklassiker ist er natürlich streng genommen nicht, aber ein sehr wichtiger Entwurf von Richard Neutra.

Originalzeichnung von Richard Neutra für den Lovell Easy Chair.

Dabei ist der Sessel wirklich sehr bequem und die Umsetzung von VS Möbel nach unserer Meinung wirklich gut gelungen. Der redaktionelle Beitrag der Art (Ausgabe 1-2015) impliziert, dass es dabei ums große Geld geht. Sicherlich sind bei den Herstellern materielle Interessen vorhanden – aber reich wird mit diesen Reeditionen niemand. Denn diese ausgefallenen Entwürfe haben meist nur einen kleinen Kundenkreis, der aus Architekten, Fans oder Kulturinteressierten besteht. Manchmal hat man sogar das Gefühl, dass das Presse-Echo größer als die Nachfrage von Endkonsumenten ist.

Sicherlich gibt es Designklassiker, die wirtschaftliche Evergreens sind wie der Stapelstuhl SE68 von Egon Eiermann, die Tulip Chairs von Eero Saarinen oder der besagte Lounge Chair von Charles und Ray Eames. Aber diese Entwürfe werden nun seit über 60 Jahren produziert und sind keine Reeditionen. Das im Laufe der Zeit die jeweiligen Hersteller natürlich den Entwurf in Details verändern ist naheliegend, denn auch ein Designklassiker muss aktuellen Produktionsmethoden angepasst werden. Zulieferer verschwinden, Maße müssen variiert werden (die Menschheit ist ja 10 cm größer geworden) oder es gilt, moderne Umweltauflagen zu erfüllen.

Auch wurden viele bedeutende Entwürfe in den 1920er und 30er Jahren oftmals nur in Kleinstauflagen für ein bestimmtes Projekt entworfen. (die große Industrialisierung in der Möbelwelt kam erst später). Die Originale sind zum Teil verschollen oder finden sich in Sammlungen und Museen. Exemplarisch wurde die Eileen Gray Möbel erst viel später von der großen Maße entdeckt. Zu ihren Lebzeiten hatte Eileen Gray damit keinen großen Erfolg. Wenn mal ein seltenes Original heute auf den Markt kommt, erzielen diese Objekte regelmässig Spitzenpreise in Design- und Kunstauktionen. Wie elitär darf Wohnen sein?

Möbel sollen leben. Uns ist es sympathischer, das sich jemand den wirklich schönen Entwurf von Neutra zu Hause platziert als irgend einen No-Name Sessel. Nichts gegen aktuelle Entwürfe, die Mischung machts einfach…

Entscheidend ist, dass von den neu aufgelegten Editionen die Hersteller und die Entwerfer (bzw. die Erben) profitieren. Denn diese Neuauflagen entstehen meist mit viel Liebe und Energie. Häufig hat man dabei sogar das Gefühl, dass die damit verbundenen Arbeiten der Recherche und Realisierung aufwendiger sind, als einfach nur ein neues Möbel im Markt zu lancieren. Der Entwicklungsprozess einer Reedition ist häufig kein leichter Weg. Dies können wir aus eigener Erfahrung sagen.