Piero Fornasetti: Die Poesie des Ornamentalen
Piero Fornasetti wurde 1913 in Mailand geboren und studierte zunächst Malerei an der Accademia di Brera, wurde jedoch 1932 aufgrund mangelnder Anpassungsfähigkeit und Aufsässigkeit von der Akademie verwiesen. Dies markierte bereits früh die Eigenständigkeit seines künstlerischen Ansatzes. Seine Begeisterung für die italienische Kunst der Klassik und Renaissance teilte er mit den Begründern des italienischen Novecento-Stils. Die in den 1920er Jahren in Italien entstandene Bewegung verstand sich als Gegenentwurf zur rationalistischen europäischen Moderne. Unter Rückbesinnung auf vergangene Blütezeiten Italiens wurde eine Wiederbelebung und Neuinterpretation der klassischen Formensprache und Architektur des Alten Roms und der Italienischen Renaissance angestrebt. Fornasettis Neigung zum Skurrilen, die Inspiration, die er aus dem Surrealismus schöpfte, machen seinen eklektischen Stil jedoch unverwechselbar. In den 1930er-Jahren begann Fornasetti mit der Gestaltung von Seidenschals und Druckgrafiken und wandte sich bald auch der Möbelgestaltung und Innenarchitektur zu. Während des Zweiten Weltkriegs emigrierte er zeitweise in die Schweiz.

Piero Fornasetti in de Badewanne....
Die Serie „Tema e Variazioni“
Das zentrale Werk in Fornasettis Œuvre ist die Serie Tema e Variazioni (Thema und Variationen), in der das Gesicht von Lina Cavalieri (1874-1944, eine für ihre Schönheit und Eleganz berühmte Opernsängerin der Belle Époque, über 350 Mal künsterlisch verfremdete. Inspiriert wurde er wohl auch durch Rossinis musikalisches Prinzip der Variation über ein Thema, werden in dieser Wandteller-Serie Motive des Spiels, der Maskierung, der Fragmentierung und der Ironie deutlich. Das Gesicht wird multipliziert, maskiert, verkehrt, geteilt – und verliert dabei dennoch nie seine Identität. Fornasetti gelingt es, in der Wiederholung kreative Freiheit zu finden – eine Haltung, die sich auch in postmodernen Designstrategien wiederfindet. Bekannt wurde die Serie auch durch den Künstler Max Ernst, der mehrfach einen der Fornasetti Wandteller bei Installationen verwendete
Piero Fornasetti und Gio Ponti
Ein weiterer wichtiger Aspekt von Fornasettis Werk ist seine jahrzehntelange Zusammenarbeit mit dem Architekten und Designer Gio Ponti, der ihn mit Beiträgen in seiner Zeitschrift DOMUS unterstützte und seine Gestaltungsideen in architektonische Kontexte einbettete. Gemeinsam entwickelten sie Möbel oder Inneneinrichtungen. Fornasettis dekorative Arbeiten schmückten das Casino in San Remo und den Bereich der ersten Klasse des berühmten, 1956 nach einer Kollision spektakulär gesunkenen, italienischen Luxusliners Andrea Doria. In der in den 1950er Jahren entstandenen Serie ‘Architettura’ verwandelt Fornasetti von Ponti entworfene Kommoden, Stühle, Schränke und Sekretäre durch Trompe-l’oeil-Malereien in säulengeschmückte Palazzi.
Das Studio Fornasetti wird heute von seinem Sohn Barnaba Fornasetti weitergeführt, der das Archiv systematisch aufarbeitet und neue Objekte im Geiste seines Vaters produziert. Die Popularität der Marke Fornasetti zeigt sich in zahlreichen Kooperationen (z. B. mit dem Modehaus Valentino oder dem Parfumhersteller L’Objet) sowie in einer kontinuierlichen Präsenz in internationalen Museen und Galerien. Fornasettis Werk steht exemplarisch für eine designhistorische Position, die das Ornament nicht als „Verbrechen“, sondern als kreatives Potenzial begreift.