Angelo Mangiarotti: dank Max Bill über die Schweiz in die Vereinigten Staaten und zurück nach Italien
Angelo Mangiarotti absolvierte sein Architekturstudium am Politecnico di Milano. Im Jahr 1943 unterbrach er sein Studium und floh vor dem faschistischen Regime in die Schweiz, wo er Max Bill kennenlernte. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte Mangiarotti vorerst nach Mailand zurück, um sein Studium fortzusetzen, das er im Jahr 1948 abschloss. Im Jahr 1953 ging Mangiarotti auf Empfehlung von Max Bill in die USA. Dort war er als Gastprofessor am ITT Institute of Design in Chicago tätig, das von László Moholy-Nagy gegründet wurde und viele ehemalige Bauhaus-Lehrer beschäftigte. Das Institut befand sich am Illinois Institute of Technology, wo zur gleichen Zeit Ludwig Mies van der Rohe die Architekturschule leitete. Neben Mies van der Rohe tauschte Mangiarotti in Chicago auch Ideen mit zwei weiteren der sogenannten vier Väter der architektonischen Moderne aus: Frank Lloyd Wright und Walter Gropius. Anstatt – wie viele andere europäische Auswanderer dieser Zeit – dauerhaft in den USA zu bleiben, kehrte Mangiarotti 1955 nach relativ kurzem Aufenthalt nach Italien zurück. In seiner Heimatstadt Mailand gründete er gemeinsam mit Bruno Morassutti ein Studio; ab 1960 führte er es allein.
Zu dieser Zeit, also um 1960, war Angelo Mangiarotti vorrangig als Architekt tätig und entwarf neben einem Wohnhaus in der Mailänder Via Quadronno die Kirche Nostra Signora della Misericordia im Mailänder Vorort Baranzate, eine Lagerhalle für Splügen Bräu in Mestre bei Venedig, sowie einen Ausstellungspavillon auf dem Messegelände von Genua. Spätere architektonische Entwürfe Mangiarottis umfassen zwei Bürogebäude im Friaul, sowie vier Stationen der Mailänder Stadtbahn Passante ferroviario di Milano. Mangiarotti begann die Entwurfsarbeit für die Haltestellen Certosa, Repubblica, Porta Venezia und Rogoredo im Jahr 1982. Vollständig in Betrieb genommen wurde die Linie erst 2008. In Stazzema unweit von Lucca erinnert ein Mahnmal nach Entwurf Mangiarottis an das dort während des Zweiten Weltkriegs verübte Sant’Anna Massaker. Für die Marmorbetriebe in Carrara schuf der Lombarde das Wahrzeichen Cono Cielo – aus dem Italienischen etwa: Himmelskonus – eine turmartige Skulptur, die sich aus konzentrischen Marmorelementen zusammensetzt.
Ab Mitte der 1960er Jahre wirkte Angelo Mangiarotti vermehrt als Produktdesigner und arbeitete mit namhaften Herstellern wie Knoll, Cassina, Artemide, Danese und Poltronova zusammen. Seine Designobjekte zeichnen sich durch expressive Formen und skulpturale Anmutungen aus. Bekannt ist Mangiarotti insbesondere für seine Leuchten aus Muranoglas, wie das Modell Lesbo für Artemide, seine Steckmöbel für den japanischen Hersteller Metrocs sowie seine Marmortische, die heute von AgapeCasa angeboten werden. Hierzu zählen die Tische der 1971 vorgestellten Serie Eros, sowie das 1979 folgende Modell Eccentrico. Beide fügen sich aus wenigen marmornen Bauteilen zusammen, die nur durch Eigengewicht, Schwerkraft und Reibung eine stabile Verbindung eingehen. Besonders eindrucksvoll ist dies beim späteren Modell Eccentrico gelungen, dessen Tischplatte einzig von einem außermittig angeordneten, schräg stehenden Bein getragen wird.
1986 übernahm Angelo Mangiarotti die Position als Art Director bei der Cristalleria Colle und entwarf in der Folgezeit mehrere hundert Vasen und andere Objekte aus Kristallglas für den toskanischen Hersteller. Weitere Objekte nach Entwürfen Mangiarottis umfassen einen Aschenbecher aus Keramik für den Hersteller Danese, sowie mehrere geometrisch anmutende Schalen und Vasen im Bronzegussverfahren. 1989 gründet er ein weiteres Designstudio in Tokio. Angelo Mangiarotti blieb sein Leben lang der Schweiz verbunden, die ihm während des Zweiten Weltkriegs Asyl gewährte. Ab 1974 war er als Professor an der École Polytechnique Fédérale in Lausanne tätig. Mangiarotti erhielt Ehrendoktorwürden von der TU München und vom Politecnico di Milano, seiner Alma Mater. Im Jahr 1994 wurde er mit dem renommierten italienischen Designpreis Compasso d'Oro für sein Lebenswerk ausgezeichnet. 2002 würdigte ihn die Mailänder Triennale mit einer Retrospektive. Es folgten zwei weitere Retrospektiven in Tokio und in Mantua. Angelo Mangiarotti verstarb 2012 in seiner Heimatstadt Mailand.