Architekt und Designer
Das architektonische Werk von Geatano Pesce umfasst etwa das Bahia House, eine exzentrische mit bunten Schindeln verkleidete Villa am brasilianischen Strand, oder das Organic House in Osaka. Rasterförmig in die Vorhangfassade dieses 1993 fertiggestellten Bauwerks eingelassen, sind rot glasierte Betonpaneele, die jeweils eine große Toppflanze aufnehmen. Ausgewählt wurden insgesamt achtzig in Osaka heimische Spezies, die – unterstützt von einem computergesteuerten Bewässerungssystem – beste Wachstumsbedingungen vorfinden und als vertikaler Garten Grün in die dicht besiedelte Metropole bringen. Zahlreiche Architekturmodelle und Entwurfszeichnungen aus Pesces Büro befinden sich in namhaften Museen weltweit. Sie sind etwa Teil der permanenten Ausstellungen des New Yorker Museum of Modern Arts, des Londoner Victoria & Albert Museum oder des Vitra Design Museums in Weil am Rhein. Viele seiner Entwürfe haben dabei eher programmatischen Charakter, als dass sie für eine tatsächliche Realisierung konzipiert wären. So verhält es sich etwa mit einem Jahrzehnte nach der Ausschreibung vorgelegten Beitrag zum legendären Architekturwettbewerb für den Chicago Tribune Tower, oder mit einem Entwurf für den Wiederaufbau des New Yorker World Trade Center.
Designklassiker von Gaetano Pesce
Sein Debut als Designer gab Gaetano Pesce 1969 mit dem vielbeachteten, aufblasbaren Sessel Up. Ab 1972 fungierte Pesce als künstlerischer Leiter des von Cassina neugegründeten Labels Bracciodiferro, das ganz dem Experimentaldesign verschrieben war. Im gleichen Jahr begann Pesce mit Kunstharz zu experimentieren und stellte als eines der ersten Ergebnisse den Golgotha Chair vor. Hierbei handelt es sich um einen Sessel, der aus einem Tuch geformt ist, das mit Kunstharz getränkt und somit versteift wurde. 1980 zog Pesce nach New York; inspiriert vom neuen Lebensmittelpunkt entwarf er unter Anderem den Broadway Chair oder das Sofasystem Tramonto a New York. Zu seinen erfolgreichsten Entwürfen zählt ein Sessel aus der 1987 vorgestellten Serie „I Feltri“, die bis heute von Cassina angeboten wird. Als einer der Ersten widmete sich Pesce hierbei dem Material Filz, das zuvor für Möbel kaum genutzt wurde. Auch der Einsatzzweck, den er dem Filz zudachte, ist alles andere als naheliegend. Anstatt als Polster- oder Bezugsmaterial zu dienen, bildet harzimprägnierter Filz bei den Möbeln der I Feltri Reihe von Cassina den tragenden Rahmen.
1994 gründete Gaetano Pesce das Unternehmen Fish Design mit Sitz in Mailand und New York. Der Firmenname nimmt dabei Bezug auf den Nachnamen des Firmengründers. Unter dem Label wurden Accessoires wie Vasen, Schalen, Armbänder oder Ketten aus Kunstharz angeboten. 2002 erregte Pesce großes Aufsehen mit der Möbelserie Nobody’s Perfect, für die er die sogenannte diversifizierte Serienfertigung ersann. Im Rahmen einer industriellen Fertigung werden hierbei stets kleine Veränderungen am Produkt –etwa hinsichtlich der Abmessungen – vorgenommen. Das Resultat sind Serienprodukte, die zugleich Unikate sind. „Für Gaetano Pesce bedeutet wahrhaft modern zu sein, der Welt unerschrocken ins Auge zu blicken und Design als eine Methode zu nutzen, den zustand der Welt zu kommentieren“, so die Designkritikerin Suzanne Slesin. Ohne sich von der Moderne abzuwenden, hat Pesce unseren Begriff dieser Stilepoche erweitert und sie um unperfekte und warme Qualitäten bereichert.
Über Jahrzehnte lehrte Gaetano Pesce Architektur und Design an namhaften Hochschulen weltweit, etwa am Institut d’Architecture et d’Etudes Urbaines in Straßburg, der Domus Academy in Mailand, der City University of Hong Kong, der Escola da Cidade in São Paulo, oder der Cooper Union in New York. Die Yale School of Architecture widmete Pesce bereits 1983 eine Einzelausstellung – es folgten zahlreiche weitere. So zeigten etwa das Centre Pompidou in Paris, das New Yorker Museum of Modern Arts und die Mailänder Triennale jeweils gleich mehrere Einzelausstellungen über Pesce. 1993 erhielt er den Chrysler Design Award, 2004 wurde er mit dem renommierten Good Design Award des Chicago Athenaeum ausgezeichnet, und 2006 ehrte ihn die A&W in Köln als Designer des Jahres.