Neckermann und die Katalogrevolution: Mutter des Versandhandels

Der Slogan Neckermann macht’s möglich hallt bis heute im kollektiven Gedächtnis der Deutschen nach. Die Erfolgsgeschichte des Versandriesen steht stellvertretend für das enorme deutsche Wirtschaftswachstum der 1950er und 60er Jahre. Neue Designs und Produkte sowie eine ganz neue Art des Einkaufens hielten Einzug in die junge Bundesrepublik. Heute bestellen die Konsumenten natürlich in erster Linie über den Online-Shop – der klassische Katalog zum Blättern feiert indes ein kleines Revival.

Ein Bett, ein Fahrrad, eine Fernreise oder eine Waschmaschine im Internet auf neckermann.de zu bestellen, ist für uns heute die leichteste und selbstverständlichste Sache der Welt. Was man heute bestellt, kommt spätestens drei Werktage später an. Das war natürlich nicht immer so. Der Anfang des Versandgeschäftes und der Marke Neckermann verlief in bescheidenen Dimensionen:

Abbildung: © istock.com/ HultonArchive

Die Geschichte des Neckermann Versandhandels

Im Jahr 1948, also zur Zeit des Wiederaufbaus, gründet Josef Neckermann in Frankfurt am Main die Textilgesellschaft Neckermann KG. Zwei Jahre später geht diese Gesellschaft in die Neckermann Versand KG über und ein erster, lediglich zwölf Seiten umfassender Katalog geht in den Druck. Die Auflage von 100.000 scheint heute lächerlich klein, muss eingedenk der ungewissen damaligen Situation aber als riskantes Wagnis betrachtet werden. Enthalten sind rund 133 Textilartikel, die auch gleich reißenden Absatz finden, sodass Neckermann kurz nach der offiziellen Gründung einen Umsatz von 10 Millionen Mark verzeichnen darf. Nur drei Jahre später haben sich die Einnahmen schon verzehnfacht und der bequeme Versandhandel via Katalog ist endgültig in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Der neueste Fernseher dank Neckermann (Abbildung: © istock.com/Lisa-Blue)

Das Unternehmen ist Profiteur und Leitfigur des Deutschen Wirtschaftswunders und die Kataloge liegen plötzlich in der BRD auf den allermeisten Wohnzimmertischen. Wer auf der Suche nach neuer Elektronik ist, beispielsweise neuen Fernsehgeräten und Radios oder Textilwaren jeglicher Art, muss nicht mehr in die Stadt fahren und diverse Geschäfte aufsuchen. Das Durchstöbern der immer dicker werdenden Kataloge und das gemeinsame Ankreuzen der gewünschten Artikel werden ab den 1960er Jahren zu einem festen Ritual innerhalb vieler Familien in Deutschland. Eine stetig anwachsende Produktpalette und Models mit hohem Identifikationsfaktor machen das Aufschlagen des Katalogs attraktiv.

Versandhäuser im Wandel

Vom Wirtschaftswunder zum Internethandel: Das Wirtschaftswunder tut sein Übriges. Die enorme Geschwindigkeit dieser wirtschaftlichen Entwicklung lässt sich zum Beispiel an dem steigenden Realeinkommen der durchschnittlichen Arbeiterfamilie verdeutlichen. Neckermann war so gesehen exakt zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Kurz nach der Unternehmensgründung erreicht die Bundesrepublik nämlich ein ungeahntes Wohlstandsniveau: Die Zahl der Arbeitslosen liegt Anfang der 1950er Jahre noch bei über zwei Millionen, sinkt aber kurz nach der Neckermann-Gründung deutlich. Diese anwachsende Kaufkraft und die Sehnsucht nach immer modernerer Elektronik bescheren dem Versandhandel einen großen und langanhaltenden Erfolg. Schnell macht sich außerdem ein System bemerkbar: Jeder einzelne Katalogartikel wird anhand von Marktforschungsergebnissen und den bisherigen Verkaufszahlen analysiert und in einer perfekt vorkalkulierten Stückzahl angeboten.

Selbstverständlich lassen sich in der Historie Neckermanns auch Rückschläge ausmachen: Die Expansion auf den Reisesektor ab 1963 fiel zum Beispiel langfristig (nach massiven Ausbaumaßnahmen in den 1970ern) weniger ertragreich aus, als man sich erhofft hatte. Und mit dem Siegeszug des World Wide Web verlor der klassische, papierene Katalog ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre langsam aber sicher an Bedeutung. Der Name Neckermann besteht aber auch weiterhin. Und in dem oben genannten Online-Shop gibt es zudem noch immer den Katalog zum Blättern in einer digitalen Variante. Wer zum Beispiel ein Tablet nutzt, kann also wie in den alten Zeiten im Sortiment stöbern. Einziger Unterschied: Tippt man auf das gewünschte Produkt, kommt man direkt zur Produktseite im Shop. Das Ankreuzen und postalische Bestellen fällt also weg.

Tags: Markanto