Original und Fälschung: Arne Jacobsens Stuhl 3107

Nicht nur nur aus juristischen Gesichtspunkten ist der „nichtlizensierte Nachbau” von Designklassikern fragwürdig, auch die Fertigungsqualität lässt bei den Fakes oft zu wünschen übrig. In unserer Serie „Original und Fälschung“ vergleichen wir diesmal mehr eine plumpe Nachahmung mit dem unübertroffenen Original von Fritz Hansen.

Begonnen hat alles mit der Ameise. So nannte Arne Jacobsen, einer der prägenden Architekten und Designer der Moderne in Dänemark, einen Stuhl, den er 1952 zur Einrichtung des ebenfalls von ihm entworfenen Verwaltungsgebäudes des Pharmaunternehmens Novo Nordisk entworfen hatte. Die zur Einrichtung der Kantine vorgesehene Ameise (Dänisch: Myren) war dabei ein ausgesprochen anspruchsvoller Entwurf, denn sie sollte eine Sitzschale aus formverleimtem Schichtholz verwenden, die Biegungen in zwei verschiedenen Ebenen aufweist. Zwar hatten Charles und Ray Eames zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgreiche Experimente mit Formholz durchgeführt, in Dänemark jedoch erwies sich die Suche nach einem Hersteller, der die Ameise produzieren könnte, als ausgesprochen schwierig. Schließlich traute sich mit Fritz Hansen doch ein Unternehmen die Fertigung zu und es begann eine fruchtbare Zusammenarbeit von Designer und Hersteller.

Auf Anregung von Poul Fritz Hansen, einem Enkel des Firmengründers entwarf Arne Jacobsen nach der Ameise noch zahlreiche weitere Stühle mit Formholzsitzschalen. Zum charakteristischen Merkmal wurde dabei eine Notwendigkeit dieses Fertigungsverfahrens: eine Taillierung, die den nach oben gebogenen Übergang von der Sitzfläche zur Rückenlehne von dem in seitlicher Richtung gebogenen rückenumschließenden Teil der Rückenlehne abgrenzt. Befand sich diese Taillierung bei der eigenwilligen und gewöhnungsbedürftigen Ameise noch auf halber Höhe der Rückenlehne, so rückte sie bei Jacobsens späteren Entwürfen weiter nach unten. Beim Modell 3107 bildet die Taillierung gleichzeitig den Übergang von der Sitzfläche zur Rückenlehne, so dass sich ein harmonisches Gesamtbild, geprägt von fließenden, organischen Linien ergibt. Aus dem 3107 Stuhl entwickelte Jacoben gemeinsam mit Fritz Hansen eine ganze Serie an Modellen, wie das Modell 3207 mit Armlehnen oder das Modell 3117 mit Rollen. Das Original hat natürlich seinen Preis - und fängt bei Fritz Hansen je nach Ausführung bei EURO 390,00 (Stand Dezember 2018) an.


Unser Vergleich: das Original von Fritz Hansen und die Nachahmung

Bei unserem Vergleich testeten wir diesmal einen original 3107 Stuhl von Fritz Hansen in der Ausführung mit schwarz lasierter Escheschale mit einem sogenannten Plagiat, welches im Internet mit „inspiriert von Arne Jacobsen” beworben wird. Diese Nachahmung erreicht uns unmontiert in einem versandfreundlichen Karton. Im Inneren lässt die Verpackung jedoch zu wünschen übrig. Sitzschale und Untergestell liegen lose im Karton und sind mit zwischengeschobenen Kartonstücken und einem Plastikbeutel nur unzureichend dagegen geschützt, aneinander zu schaben. Die notwendigen Schrauben und Unterlegscheiben, sowie ein passender Inbusschlüssel liegen bei. Zwar ist die Montageanleitung nicht besonders klar, die Montage ist insgesamt jedoch so einfach durchzuführen, dass sie uns keine Probleme bereitet.

3107 Fußkreuz - Original und Fälschung

Links der schlecht verschweißte Kreuzungspunkt des Fakes, rechts zum Vergleich die typische Kunststoffabdeckung von Fritz Hansen mit den vier Gummipuffern und der Zertifizierungskarte mit Seriennummer und Registrationshinweis von Fritz Hansen

Das Untergestell wartet mit einigen Enttäuschungen auf. Am Kreuzungspunkt der Beine sind diese miteinander verschweißt. Die Schweißnähte sind dabei so unsauber ausgeführt, dass es den Eindruck macht, die Gestelle seien von einem unerfahrenen Dilettanten in der heimischen Garage angefertigt worden. Zwar sind die Schweißnähte normalerweise unter der Sitzfläche verborgen, so dass sie nicht weiter auffallen, dem Gesamteindruck sind sie aber trotzdem abträglich. Hinzu kommt, dass derart unsaubere Schweißnähte auch weniger belastbar sind, als fachgerecht ausgeführte Verbindungen. Im ungünstigsten Fall, könnte ein derart schlecht ausgeführtes Untergestell im Gebrauch zusammenbrechen und seinem Benutzer schlimme Verletzungen zufügen. Beim Original hingegen ist das Untergestell mit einem Flansch versehen, an dem die Verschraubung mit der Sitzschale erfolgt. Diese Konstruktion ist unter der typischen Kunststoffabdeckung von Fritz Hansen verborgen. Zusätzlich sorgen vier Gummipuffer für Stabilität, die die Beine gegenüber der Sitzschale abstützen und gleichzeitig beim Stapeln mehrerer Stühle dafür sorgen, dass sich die Stühle nicht gegenseitig beschädigen.

Chrommängel beim Fake

Bei der Kopie des 3107 Stuhls blätterte die Verchromung direkt beim Auspacken ab. Zum Vergleich auch ein Detailphoto der Beine (rechts die typischen Fußstopfen von Fritz Hansen)

Als ob die mangelhafte Schweißnaht nicht schlimm genug wäre, blättert außerdem die Verchromung ab. Wie eine dünne Folie schält sich die Chromschicht bei einfachem Reiben mit dem Finger von den Stuhlbeinen. Bei genauem Hinsehen, erkennt man ein weiteres Defizit. Im Vergleich zum Original fällt auf, dass die Stahlrohre, die die Beine bilden, bei der Fälschung deutlich dicker sind. Um genau zu sein, haben sie einen Durchmesser von 2 cm anstatt von 1,5 cm wie beim Original. Das klingt zwar nicht nach einer dramatischen Differenz, macht optisch aber einen gewaltigen Unterschied und sorgt dafür, dass die Fälschung nicht an die filigran-grazile Anmutung des Originals heranreicht.

Wenden wir uns nun der Sitzschale zu. Anders als beim Original besteht die Sitzschale unserer Nachahmung nicht aus formverleimtem Schichtholz sondern aus Kunststoff. Das im Spritzgussverfahren hergestellte Teil aus Polypropylen weist eine imitierte Holzmaserung auf und ist zur Stabilisierung auf seiner Rückseite mit einem umlaufenden Wulst verstärkt. Nichtsdestotrotz ist die Sitzschale weniger fest als diejenige des Originals und gibt beim Sitzen stärker nach. Natürlich zeugt es von einem respektlosen Umgang mit dem Entwurf, ein Bauteil, dessen Fertigungstechnik so prägend für die Gesamterscheinung dieses ikonischen Möbelstücks ist, kurzerhand durch eine billige Alternative zu ersetzen. In diesem Fall ist das Vorgehen außerdem ahistorisch, denn zum Entwurfszeitpunkt standen entsprechend leistungsfähige und kostengünstige Kunststoffe noch nicht zu Verfügung. Der Unterschied ist zudem augenfällig und gibt die Fälschung auch ungeübten Betrachtern leicht als solche preis. Nicht zuletzt leidet auch das äußere Erscheinungsbild unter der Kunststoffschale, denn es ist den Fälschern nicht gelungen, den geschmeidig runden Übergang von der Sitzfläche zur Rückenlehne umzusetzen. Anders als beim Original entsteht bei der Fälschung somit kein eleganter fließender Übergang, sondern eine abgehackt wirkende, zweifache Abwinklung, die einen unharmonischen Eindruck hinterlässt.

Kommen wir zum Abschluss zum Preis. Der nachgeahmte 3107 schlägt immerhin mit 29,00 Euro zu Buche. Einschließlich der Versandkosten zahlten wir unter dem Strich fast 50,00 Euro. Ein stolzer Preis für einen derart mangelhaften Stuhl. Von einem angemessenen Preis-Leistungs-Verhältnis kann hier nicht die Rede sein, brauchbare solide Stühle gibt es schließlich schon für weniger. Das Original von Fritz Hansen kostet aktuell 390,00 Euro; ein zugegebenermaßen stolzer Preis, der jedoch seine Rechtfertigung hat. Die Anschaffungskosten spiegeln nicht nur die Qualität wieder, sondern relativieren sich angesichts der zu erwartenden langjährigen Nutzungsdauer und der hervorragenden Werterhaltung.

3107 Schale

Im Vordergrund die original Schichtholzschale des 3107 Stuhls von Fritz Hansen – bestehend aus sieben miteinander verleimten Holzschichten. Im Hintergrund der braune Kunststoff des Fakes mit einer Art Holzanmutung.

Fehlt ihnen für fabrikneue Originale das entsprechende Budget, können auch gebrauchte Exemplare eine gute Alternative sein. In unserem Vintagebereich präsentieren wir Ihnen eine kuratierte Auswahl gebrauchter Designermöbel. Schauen Sie sich einmal um, vielleicht ist für Sie das Passende dabei!

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