Thema Monobloc: „Was am Ende zählt ist nicht der Stuhl, sondern dass man sitzt.“

Unter dem Begriff Monobloc versteht man einen Stuhl, der aus einem einzigen Stück besteht – daher der Name – und der im Spritzgussverfahren aus Kunststoff hergestellt wird. Hierfür eignet sich insbesondere Polypropylen. Den ersten Monobloc in diesem Sinne brachte im Jahr 1972 der französische Ingenieur  auf den Markt. Wie viele seiner heutigen Nachfolger war schon dieser „Fauteuil 300“ weiß und wies Armlehnen auf, die fließend in die Rückenlehne übergehen. Bereits 1948 hatte Massonet in Nurieux bei Lyon das Unternehmen STAMP gegründet, das zunächst kleinere Haushaltsgegenstände aus Kunststoff produzierte. Massonet versuchte anfangs, den Monobloc als hochwertiges Möbelstück mit hohem gestalterischem Anspruch zu vermarkten. Einige Modelle entwarf er gemeinsam mit Pierre Paulin, der aber offenbar nicht an den Erfolg dieses Vorhabens glaubte, und öffentlich nicht mit Monobloc-Stühlen in Verbindung gebracht werden wollte. So trägt etwa der 1986 eingeführten Monobloc „Boston“, den Massonet und Paulin gemeinsam entwarfen, gut sichtbar die Unterschrift Massonets, während Paulin auf eigenen Wunsch ungenannt blieb. Der 2021 veröffentlichte Film zeigt Massonet in Amateuraufnahmen eines Monobloc-Sammlers, der im Jahr 2005 die STAMP-Fabrik besuchte und den Firmengründer wenige Wochen vor dessen Tod interviewte.

Nachdem Massonets Konzept des Monoblocs als hochwertiges Designerstück vorerst also nicht aufging, fanden die Plastikstühle auf anderem Weg zu überwältigendem Erfolg: Da die Herstellung von Stühlen im Spritzgussverfahren nie patentiert wurde, traten schon bald andere Hersteller auf den Plan und es ergab sich ein Preiskampf, der dazu führte, dass die Monoblocs fortan auf günstige Preise hin optimiert wurden – zu Lasten der Qualität. Indem etwa die Wandstärken immer weiter reduziert, die Menge an benötigtem Kunststoff also minimiert wurde, können die Stühle zu günstigen Preisen angeboten werden, weisen aber auch nur kurze Haltbarkeiten auf und sind generell anfällig für Brüche. Heute finden sich Monoblocs in deutschen Baumärkten und Gartencentern typischerweise für Preise zwischen zehn und zwanzig Euro pro Stück. Im Film wird die heutige Produktion im italienischen Familienbetrieb der Gebrüder Proserpio gezeigt, das bereits ab 1965 Kunststoffteile produzierte und in den Siebzigerjahren zu den frühesten Nachahmern von Massonets Konzept zählte. Das Unternehmen mit Sitz bei Mailand hat bis heute rund 250 Millionen Monoblocs produziert. Schätzungen zufolge wurde insgesamt bislang weltweit eine Milliarde dieser Stühle verkauft, was den Monobloc zum verbreitetsten Möbeltyp überhaupt macht.

Die weite Verbreitung der Monoblocs ist ein internationales Phänomen. Man findet die Stühle massenhaft sowohl in den Industrienationen – obwohl sie dort ob ihrer schlechten Qualität und oft plumpen Anmutung belächelt werden – als auch in den ärmeren Regionen der Erde, wo man froh ist, überhaupt einen Stuhl zu haben. So besucht die Dokumentation den Hersteller Supreme in Mumbai, der seit 1990 Monoblocs produziert. Seit den 1990er Jahren sind die Plastikstühle in Indien weit verbreitet und machten Möbel für die indische Mittelklasse erstmals erschwinglich.

Auf besondere Weise macht sich die international agierende Free Wheelchair Mission Monoblocs zu Nutze. Gegründet wurde die karitative Organisation mit Sitz im kalifornischen Irvine von dem Ingenieur Dr. Don Schoendorfer, der am MIT studiert hat und Inhaber von über 60 Patenten ist. Um Bedürftigen in aller Welt Rollstühle schenken zu können, entwickelte Schoendorfer einen preisgünstigen Rollstuhl, dessen Sitzschale von einem Monobloc gebildet wird. Auf diese Weise konnte die Free Wheelchair Mission seit der ersten Lieferung im Jahr 2002 bislang mehr als 1,3 Millionen Rollstühle in über 90 Ländern verschenken. Wie der Film in Uganda aufzeigt, ist es für viele Menschen in Entwicklungsländern unmöglich, ohne die Unterstützung einer solchen Organisation Zugang zu einem Rollstuhl zu erhalten. Dabei stellen die Rollstühle für die Betroffenen und ihre Angehörigen eine immense Aufwertung ihrer Lebensqualität dar.

Der Film schließt mit der Frage nach den Auswirkungen der massenhaft produzierten Plastikstühle auf die Umwelt. Wie sich zeigt, können diese bei richtiger Entsorgung erstaunlich mild ausfallen. Als thermoplastischer Kunststoff ist Polypropylen gut für Recycling geeignet, Voraussetzung ist allerdings, dass es sortenrein gesammelt wird. Hauke Wendler begleitet eine Müllsammlerin im brasilianischen Fortaleza. Ein ausrangierter Monobloc ist für sie ein Glücksfund. Zwar sammelt sie auch andere Kunststoffe und Papier, doch nichts ist für sie so einträglich wie Polypropylen. Zwei Monoblocs entsprechen für sie einem Tageslohn. Ein ortsansässiges Recyclingunternehmen reinigt und zerkleinert die ausgedienten Plastikteile und gewinnt auf diese Weise ein Granulat, das wieder als Material für neue Spritzgussteile dienen kann.

In den vergangenen Jahren erfährt der Monobloc auch in Europa eine neue Wertschätzung. Bereits vor Veröffentlichung des Films, würdigte das Vitra Design Museum im Jahr 2017 den allgegenwärtigen Plastikstuhl mit einer eigenen Ausstellung. Auch die Ambitionen des 1991 zum Ritter der Ehrenlegion ernannten Henry Massonet, den Monobloc als hochwertiges Designerstück zu etablieren, werden in jüngerer Zeit Wirklichkeit. So finden Sie heute auch im Sortiment von Markanto einige hochwertige Monoblocs, etwa die Modelle Bell Chair und Myto nach Entwurf von Konstantin Grcic, oder den EVO-C von Jasper Morrison.

Der sehr sehenswerte Dokumentaionsfilm ist in der ARD Mediathek abrufbar, hier finden Sie den Link: www.ardmediathek.de/video/monobloc

 

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