Ausstellung in der Kölner Südstadt: Markanto zeigt historisches Designspielzeug von Ado Speelgoed

Ausgangspunkt für die Ado Spielzeugfertigung war die Villa Berg en Bosch im Westen von Apeldoorn. Im Ersten Weltkrieg hatten deutsche Soldaten in der Nachbarschaft der Villa Baracken errichtet. Ab 1918 wurden diese Unterkünfte und die Villa selbst als Sanatorium zur Behandlung der damals grassierenden Tuberkulose genutzt. Die Therapie bestand im Wesentlichen aus dem Aufenthalt an einem Ort mit sauberer Luft, verbunden mit körperlicher Schonung. Die Veluwe, eine Region zwischen Apeldoorn und Arnheim, bot mit ihren unberührten Wäldern und Heiden also beste Voraussetzungen für die Tuberkulosekur. Waren die Patienten genesen, sollten sie nicht unmittelbar in den körperlich anstrengenden Arbeitsalltag zurückkehren. Deswegen umfasste das Sanatorium ab 1922 zwei Werkstätten, in denen die Reha-Patienten allmählich wieder an die Arbeit gewöhnt wurden: Eine Weberei unter Leitung von Elisabeth Loke und eine Schreinerei unter Leitung von Ko Verzuu. Die dort angefertigten Produkte wurden unter dem Namen Ado vermarktet. Diese Bezeichnung kann einerseits als Verkürzung des Ortsnamens Apeldoorn gelesen werden, andererseits steht sie als Abkürzung für „arbeid door onvolwaardigen“, also „Arbeit von Unvollwertigen oder Inkompetenten“ was sich auf die geminderte Arbeitskraft der Patienten bezog. Im Jahr 1932 begannen die Betreiber des Sanatoriums einen Neubau in einem Waldgebiet bei Bilthoven in der Nähe von Utrecht; ein Jahr später erfolgte der Umzug. Der Name Berg en Bosch wurde am neuen Ort ebenso weitergeführt, wie der Betrieb der Ado Werkstätten.

Herstellung der Ado Kindermöbel in der Werkstatt des Sanatoriums Berg en Bosch (Abbildung Coda Museum Apeldoorn)

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg sorgten medizinische Fortschritte und verbesserte Hygiene für ein Zurückdrängen der Tuberkulose, so dass das Sanatorium Berg en Bosch 1962 seinen Betrieb einstellen konnte. Der Markenname Ado ging an eine Behindertenwerkstatt im unweit von Bilthoven gelegenen Zeist über und wurde umgedeutet zu „apart, doelmatig onverwoestbaar“, also etwa „besonders, zweckmäßig, unverwüstlich“.

Obwohl in den Ado Werkstätten auch andere Produkte hergestellt wurden, ist die Marke vorrangig für die von Ko Verzuu – mit vollem Namen: Jacobus Johannes Josephus Verzuu – entworfenen Spielzeuge bekannt. Der 1901 in Utrecht geborene Leiter der Ado Schreinerei, der zuvor als Bauleiter gearbeitet hatte, lieferte während seiner bis 1955 dauernden Tätigkeit bei Ado auch sämtliche Entwürfe, die in der Schreinerei ausgeführt wurden. Autodidaktisch eignete sich Verzuu entsprechende Kenntnisse aus Architektur und Design an und orientierte sich dabei an der Moderne. Insbesondere die in den Niederlanden verbreitete Strömung De Stijl ist in Verzuus Entwürfen deutlich ablesbar. Aber auch andere Strömungen, wie etwa die Amsterdamse School und die Nieuwe Haagse School schlugen sich in seinem Werk nieder.

Die Strömung De Stijl, die gewisse Überschneidungen mit dem Bauhaus aufweist, sich jedoch schon einige Jahre früher formierte, umfasst Bildkunst, Design und Architektur. Bekannte Vertreter sind Theo van Doesburg, Piet Mondriaan und der – wie Verzuu aus Utrecht stammende – Architekt und Designer Gerrit Rietveld. Ihr Stil ist geprägt von monochromen Flächen, rechten Winkeln und einer markanten Farbigkeit, die auf die damals als Primärfarben geltenden Farben Rot, Gelb und Blau, sowie Schwarz, Weiß und Grau reduziert ist. Diese Gestaltungsprinzipien wurden teils mit dogmatischem Eifer befolgt. So trat Mondriaan 1925 aus Protest gegen van Doesburg aus der Künstlergruppe aus, weil dieser begonnen hatte, in seinen Gemälden auch diagonale Elemente zu verwendet.

Ko Verzuu

Ko Verzuu (Abbildung Coda Museum Apeldoorn)

Der Autodidakt Ko Verzuu bediente sich hingegen ganz unbefangen aus der De Stijl Formensprache – und wich davon ab, wann immer er es für sinnvoll hielt. So entspricht etwa der Puppensessel 599 genau den De Stijl Regeln und erinnert mit seinen kontrastierend lackierten Kanten an Entwürfe von Gerrit Rietveld, während das Stühlchen 570 mit seinen runden Formen von den Regeln abweicht. Darüber hinaus war es nicht nur in den De Stijl Farben Schwarz, Grau und Rot, sondern auch in einer Version mit türkisfarbenem Untergestell erhältlich. Das Puppenschränkchen 576 hingegen erinnert insbesondere mit seinen quaderförmigen Tür- und Schubladengriffen primär an die Nieuwe Haagse School. Alle erwähnten Puppenmöbel sind in der Ausstellung zu sehen. Des Weiteren bildeten Spielzeugautos und Bauklötze einen Schwerpunkt des Ado Sortiments. 

Für Verzuu hatte das moderne Design neben ästhetischen Überlegungen auch zwei ganz pragmatische Vorteile. Die reduzierten Formen und der weitgehende Verzicht auf Ornamente sorgte dafür, dass seine Entwürfe für die Patienten leicht umzusetzen waren – schließlich war nicht jeder Patient ein fingerfertiger Schreinermeister. Auch eine pädagogische Überlegung verband Verzuu, der neue Entwürfe stets zuerst von seinen elf eigenen Kindern testen ließ, mit den reduzierten Formen. Je schlichter die Spielzeuge sind, umso besser eignen sie sich als Projektionsfläche für die Fantasie der Kinder. Auch die Materialwahl sollte kindgerecht sein. Aus diesem Grund wählte Verzuu für die Lackierung der Spielzeuge natürliche Japanlacke, die im ausgehärteten Zustand ungiftig und sogar lebensmittelecht sind.

Verkauft wurden die Ado Spielwaren unter Anderem in den Warenhäusern De Bijenkorf und Metz & Co, wo auch De Stijl Möbel von Designern wie Gerrit Rietveld und Bart van der Leck angeboten wurden.

Nach dem Ausscheiden von Ko Verzuu im Jahr 1955 vergab Ado Entwurfsaufträge an zwei freischaffende Designer: Monika Buch und Pieter van Gelder. Buch, die an der Hochschule für Gestaltung in Ulm studiert hatte, war in ihrem Bestreben nach klaren, reduzierten Formen konsequenter als Verzuu. Ein Dorn im Auge waren ihr die von einem externen Zulieferer gekauften, naturalistischen Plastikpferde, die Ado seit den 1950er Jahren im Set mit seinen viel zurückhaltender gestalteten Puppenkutschen anbot. Mit ihrem Entwurf eines stilistisch passenden Holzpferdes schaffte sie Abhilfe. Außerdem konzipierte sie ein Konstruktionsspiel mit länglichen, rahmenförmigen Bauklötzen. Pieter van Gelder hingegen wich mit seinem filigranen und ornamentreichen Stil deutlich von den vorherigen Ado Entwürfen ab. Weder Buch noch van Gelder vermochten aber, die Marke Ado in einer Spielzeugwelt zu verankern, die sich ab etwa 1970 deutlich wandelte. Die sinkende Popularität von Holzspielzeug verbunden mit dem Aufkommen von Matchbox-Autos und Spielzeugen aus Kunststoff führten zu einem allmählichen Niedergang von Ado, der 2006 schließlich mit der Einstellung der Marke endete.

Wir danken dem Coda Museum in Apeldoorn sowie dem Sammler Bram Simons für ihre Unterstützung. Sehr empfehlenswert zu dem Thema ist die Internetseite adospeelgoed.com

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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