Weißes Gold aus Berlin: Porzellan von KPM
Ab Mitte des 18. Jahrhunderts gab es Bestrebungen, in Berlin eine Porzellanmanufaktur zu etablieren. Auch der damalige preußische König Friedrich der Große teilte den Wunsch nach einem solchen Unternehmen und förderte zunächst zwei aufeinanderfolgende, vielversprechende Versuche eine entsprechende Fertigung aufzubauen. Den Anfang machte im Jahr 1751 der Kaufmann Wilhelm Caspar Wegely. Mit dem Modelleur Ernst Heinrich Reichard, der nicht nur seine Erfahrung in der Herstellung von Porzellan einbrachte, sondern auch die Entwürfe lieferte, gelang es Wegely, eine erste Produktion aufzubauen. Produziert wurde in dieser Zeit vorrangig figürliches Porzellan im Stil des Rokoko. Bereits 1757 geriet das Unternehmen jedoch in finanzielle Schwierigkeiten und Wegely verkaufte es an den Kaufmann Johann Ernst Gotzkowsky. Dieser beschäftigte weiterhin Reichard als Schlüsselmitarbeiter und warb zusätzlich bedeutende Künstler von der Meißener Porzellan-Manufaktur ab. Auch den als Direktor eingesetzten Johann Georg Grieninger holte er aus Meißen nach Berlin. So gelang es Gotzkowsky, die Fertigung auszubauen und zu professionalisieren. Jedoch geriet auch er in finanzielle Schwierigkeiten und aus der zu dieser Zeit durch den Siebenjährigen Krieg belasteten Staatskasse war ebenfalls keine Unterstützung zu erwarten.
Als der Krieg, aus dem Preußen als europäische Großmacht hervorging, im Jahr 1763 endete, musste auch Gotzkowsky aufgeben und Friedrich der Große kaufte den Betrieb kurzerhand selbst. Das fortan als Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin – oder kurz KPM – firmierende Unternehmen verwendet seitdem auch das aus dem brandenburgischen Wappen entlehnte preußische Königszepter als Signet. Friedrich der Große erwies sich als mustergültiger Arbeitgeber und zahlte seinen anfangs rund 150 Mitarbeitern überdurchschnittliche Gehälter. Zudem erwarben sie Rentenansprüche und waren durch eine Betriebskrankenkasse abgesichert. Auf Kinderarbeit verzichtete die Porzellanmanufaktur vollständig – damals keine Selbstverständlichkeit. Friedrich der Große war nicht nur Besitzer der Manufaktur, sondern zugleich auch ihr bester Kunde. So bestellte er zur Ausstattung seiner Paläste in großer Zahl sowohl Geschirr als auch Plastiken und anderen Zierrat. Auch verschenkte er vielfach Porzellan aus seiner Manufaktur als Staatsgeschenk an andere europäische Königshäuser. Nach seinem Tod führte sein Thronfolger Friedrich Wilhelm II die Manufaktur in ähnlicher Weise fort. Dabei passte sich die Produktion jeweils den aktuellen künstlerischen Strömungen an. So entwarfen etwa zur Zeit des Klassizismus Karl Friedrich Schinkel und Johann Gottfried Schadow für KPM. Das Ende der Monarchie im Jahr 1918 überstand das Unternehmen unbeschadet und behielt dabei sein auf das preußische Königshaus verweisendes Signet bei.
Ab 1927 hielt die Neue Sachlichkeit Einzug bei KPM – zunächst in Form der sogenannten Löberschale nach Entwurf von Wilhelm Löber. Die schlichte Schale aus weißem Porzellan weist auf kreisrundem Grundriss eine symmetrische, flache offene Form auf und wird von einem dezenten, zylindrischen Fuß gerade so weit vom Untergrund abgehoben, dass ihre Form bestens zur Geltung kommen kann. Die Löberschale wird auch heute noch von KPM gefertigt und ist bei Markanto erhältlich. Ihr Urheber Wilhelm Löber hatte ab 1923 das Bauhaus besucht, wo er unter Gerhard Marcks und Otto Lindig als Töpfer und unter Josef Hartwig als Bildhauer ausgebildet wurde. Wie so viele Schüler und Lehrer des Bauhauses sollte er später auch an der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein in Halle an der Saale eine Wirkungsstätte finden, wo er erneut Meisterschüler von Gerhard Marcks wurde.
In den Folgejahren vertiefte KPM die Zusammenarbeit mit Künstlern aus dem Umfeld des Bauhauses und insbesondere mit der Burg Giebichenstein. So wirkte ab 1928 der aus Marseille stammenden Maler Charles Crodel, der zu dieser Zeit als Lehrer für Malerei und Graphik an der Burg Giebichenstein beschäftigt war gleichzeitig auch als Porzellanmaler für KPM. 1929 begann Günther von Pechmann seine Tätigkeit als Direktor von KPM. Er war mit der Burg Giebichenstein bestens vernetzt und begann eine enge Kooperation mit der Hochschule. So wurden Entwürfe von Gerhard Marcks und Marguerite Friedlaender-Wildenhain in der Folgezeit prägend für das Sortiment des Unternehmens. Zur gleichen Zeit war auch Trude Petri als Designerin fest bei KPM angestellt. Die aus Hamburg stammende Keramikerin jedoch hatte weder das Bauhaus noch die Burg Giebichenstein besucht, sondern wurde in der Porzellanklasse an den Vereinigten Staatsschulen für freie und angewandte Kunst in Berlin sowie in der manufaktureigenen Keramikfachklasse ausgebildet. Ganz im Sinne der Neuen Sachlichkeit entwarf sie im Jahr 1931 für KPM das richtungsweisende Service „Urbino“.
Die 1896 bei Lyon geborene Marguerite Friedlaender wuchs als Tochter eines deutsch-französischen Vaters und einer Engländerin ab 1910 in Berlin auf. Sie besuchte zunächst die Kunstgewerbeschule Berlin und ab 1919 das Bauhaus. Wie Wilhelm Löber folgte sie ihrem Lehrer Gerhard Marcks an die Burg Giebichenstein, wo sie ab 1926 zunächst die Keramikwerkstatt und ab 1929 die neu eingerichtete Porzellanwerkstatt leitete. Ebenfalls ab 1929 begann sie ihre Tätigkeit für KPM und entwarf für das Unternehmen unter anderem das Service „Hallesche Form“, die Vasen-Serie „Halle“, das Service „Burg Giebichenstein“ und die sogenannte Flugzeugtasse. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft musste Marguerite Friedlaender-Wildenhain nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 Deutschland verlassen. Sie emigrierte zunächst in die Niederlande und später in die USA. Die beiden genannten Geschirre, sowie die Vasen-Serie „Halle“ wurden zu diesem Zeitpunkt bereits von KPM angeboten; unter Nationalsozialistischer Herrschaft jedoch, wurde Marguerite Friedlaender-Wildenhain nicht mehr als Urheberin genannt. Im Rahmen einer umfangreichen, musealen Ausstellung werden ab Ende Januar 2025 im Markanto Depot zahlreiche Originale aus der damaligen KPM-Produktion vor 1939 unter dem Titel ”Im Zeichen der Burg” gezeigt, wir freuen uns auf Ihren Besuch.
Aus der aktuellen KPM-Produktion sind bei Markanto von Marguerite Friedlaender-Wildenhain die Vasen-Serie „Halle“, sowie die Flugzeugtasse erhältlich. Die Vasen-Serie umfasst sechs Vasen, denen stets dieselbe Formkonfiguration gemein ist, deren genaue Ausformung, Proportion und Größe jedoch variiert: in weißem Porzellan baut sich die Form jeweils um einen bauchigen Körper auf, der auf einem Fuß in Form eines Kegelstumpfs ruht und dem oben eine großzügiger, trichterförmiger Aufbau angefügt ist.
Die Flugzeugtasse – von Marguerite Friedlaender-Wildenhain selbst als Ringmoccatasse bezeichnet – wurde 1930 entworfen, ging jedoch erst 2024 erstmals in Produktion. Die kleine, henkellose Tasse aus weißem Porzellan zeichnet sich durch hervorragende Standsicherheit aus: Die annähernd zylindrische, sich nach oben jedoch leicht weitende Tasse bildet an ihrem unteren Rand einen stufenartig zurückgesetzten Sockel aus, der sich passgenau in das mittige Loch der mitgelieferten Untertasse fügt. Tasse und Untertasse gehen auf diese Weise eine derart sichere Verbindung ein, dass ein Umfallen der Tasse praktisch ausgeschlossen ist. Damit eignet sich die Tasse bestens für unruhige und schwankende Umgebungen – etwa für die Bordverpflegung in einem Flugzeug.
Abgerundet wird die bei Markanto erhältliche KPM-Auswahl von der Serie LAB. Ihr Name leite sich ab von der im Englischen üblichen Abkürzung „lab“ für „laboratory“. Tatsächlich handelt es sich bei der Serie um eine Neuauflage von Porzellangefäßen für den Laborbedarf, wie KPM sie vom 18. Jahrhundert bis etwa zum Jahr 2000 fertigte. Diese anonymen Entwürfe von industriellem Charakter wurden zwar auf geringerem ästhetischen Anspruchsniveau gefertigt als das übrige Sortiment, dennoch ist ihnen eine besondere von schlichten Formen geprägte Anmut zu eigen. Ab der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts fanden solche Laborgefäße – oftmals über Flohmärkte – auch ihren Weg in Privathaushalte, wo sie sich – zu Kaffeetassen und Müeslischalen zweckentfremdet – ebenso bewährten wie im Labor. An diese Tradition anknüpfend veranlasste Thomas Wenzel – Art Director bei KPM und selbst Porzellansammler – die Neuauflage, die sich nun direkt an private Konsumenten richtet.