Joe Colombo – utopische Designideen der 1960er Jahre
Cesare „Joe“ Colombo wurde 1930 in Mailand geboren und begann seine Laufbahn zunächst als Maler. Er studierte an der Accademia di Belle Arti di Brera und später Architektur an der Politecnico di Milano. In den frühen 1950er Jahren war er Teil der italienischen Avantgarde, insbesondere in Verbindung mit dem Movimento Nucleare, einer Kunstrichtung, die sich mit utopischen Weltentwürfen und der Rolle der Technik beschäftigte. Ab Mitte der 1950er Jahre wandte sich Colombo dem Design zu. Er gründete 1962 sein eigenes Studio und entwarf Möbel, Innenräume, Konsumgüter sowie visionäre Wohnkonzepte. Bereits seine ersten Arbeiten wie die Lampe „Acrilica“ (1962) für Olucw oder das Möbelsystem „Universale“ (1965) zeugen von einem innovativen Verständnis modularer Systeme und einer klaren Abkehr von traditionellen Formen. Seine Entwürfe zeichnen sich durch folgende zentrale Merkmale aus:
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Modularität und Flexibilität: Colombo ging davon aus, dass Wohnräume zunehmend kleiner und dynamischer würden. Seine Entwürfe sollten daher multifunktional, beweglich und transformierbar sein. Beispiele hierfür sind das Multichair (1965), das sich in verschiedene Sitzmöbel verwandeln lässt, oder das Cabriolet-Bed (1969), ein kompaktes Schlafmodul.
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Integration von Technologie: Colombo integrierte frühzeitig Elektronik, Beleuchtung und mechanische Elemente in seine Möbel, um sie möglichst autark und intelligent zu gestalten. Der „Total Furnishing Unit“ (1971) war ein visionäres Konzept für ein 28 m² großes Wohnmodul, das Küche, Bad, Schlafzimmer und Wohnzimmer in einem einzigen, technologisch durchdachten Raum vereinte.
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Futuristische Ästhetik: Geprägt vom Zeitgeist der Raumfahrt und des technischen Fortschritts der 1960er Jahre, wählte Colombo Materialien wie Kunststoff, Acrylglas und Fiberglas, die er zu organischen, oft skulpturalen Formen verarbeitete. Sein berühmter Elda Chair (1963) mit rotierenden Schalen ist ein Beispiel für diese Ästhetik.
Colombo und das Konzept des „Gesamtdesigns“
Joe Colombo war kein Designer von Einzelobjekten, sondern ein Denker gesamtheitlicher Umgebungen. In seinem Werk ist das Streben nach einem synthetischen Raumdesign zentral. Er wollte den Alltag durch durchdachte Systeme verbessern. So kombinierte er Architektur, Produktdesign, Innenraumgestaltung und Technologie zu einem integralen Gestaltungsansatz. In seinen mobilen Wohnmodulen, wie der Visiona 1 (1970, für Bayer AG), zeigte er, wie ein „Lebensraum der Zukunft“ aussehen könnte – kompakt, funktional und ästhetisch kohärent. Obwohl Colombo bereits mit 41 Jahren verstarb, hat sein Werk weit über seine Lebenszeit hinaus gewirkt. Seine Möbel sind heute Teil bedeutender Museumssammlungen (u. a. MoMA, Vitra Design Museum) und seine Denkweise beeinflusst zeitgenössische Designer, die sich mit Modularität, Urban Living und spekulativem Design beschäftigen.

Fast immer mit Pfeife: Joe Colombo auf seinem Elda Sessel