Eero Saarinen: Von Helsinnki nach Bloomfield Hills
Der Sohn des finnischen Architekten Eliel Saarinen wurde 1910 in Finnland geboren und wuchs in einem von Kreativität geprägten Umfeld auf. Denn sein Vater leitete die berühmte Cranbrook Academy (die amerikanische Antwort auf das Bauhaus) in Michigan. Früh zeigte sich sein Talent für Form und Raum. Nach einem Architekturstudium an der Yale University arbeitete er zunächst im Büro seines Vaters, bevor er eigene Projekte entwickelte. Seine erste große Aufmerksamkeit erhielt er 1940 gemeinsam mit Charles Eames für den Organic Chair, der im Rahmen eines Wettbewerbs des Museum of Modern Art (MoMA) ausgezeichnet wurde. Diese frühe Möbelskulptur war eine präzise Antwort auf den Wunsch nach organisch geformten, körpernahen Sitzmöbeln – sie markierte den Beginn einer revolutionären Designkarriere.
Klassiker des Möbeldesigns von Eero Saarinen
Doch Eero Saarinen verstand sich nie nur als Möbeldesigner. Er war Architekt im tiefsten Sinn – jemand, der Räume dachte, nicht nur Objekte. Architektur war für ihn ein Mittel, Zukunft zu bauen. Und das tat er mit bemerkenswerter Vielseitigkeit. Von Firmenzentralen wie dem General Motors Technical Center in Michigan bis hin zum TWA Terminal (heute Teil des JFK Airport) schuf Saarinen Gebäude, die bis heute als Ikonen der Nachkriegsmoderne gelten. Sein berühmtestes Werk, der Gateway Arch in St. Louis, ist ein 192 Meter hoher Triumphbogen aus Edelstahl – eine technische Meisterleistung und gleichzeitig ein poetisches Zeichen für den Aufbruch gen Westen, tief verankert in der amerikanischen Geschichte. Trotz dieser wegweisenden Bauwerke bleibt Saarinen auch im Design unvergessen. Der Womb Chair, den er 1948 für Florence Knoll entwarf, ist bis heute Inbegriff modernen Wohnkomforts. Der Sessel wurde als Rückzugsort gedacht – ein Ort der Geborgenheit in einer Welt des Wandels. Technologisch war er ein Vorreiter: Seine Schale bestand aus glasfaserverstärktem Kunststoff, einem damals neuartigen Werkstoff, der komplexe, organische Formen ermöglichte. Der Womb Chair steht exemplarisch für Saarinens Fähigkeit, Materialinnovation mit menschlichem Bedürfnis zu verbinden.

Architekten unter sich: Le Corbusier, Eero Saarinen, Marcel Breuer und Walter Gropius bei der Planung des UNESCO Headquarters in Paris, Copyright Knoll International und UNESCO
In den 1950er Jahren entwarf Saarinen eine weitere Möbelserie für Knoll International, die das Bild moderner Inneneinrichtung bis heute prägt: die Saarinen Stühle und Tische mit einem zentralen Tulpenfuß. Seine Idee war es, das „visuelle Chaos“ herkömmlicher Tisch- und Stuhlbeine zu überwinden. Die Lösung: ein skulpturaler, einbeiniger Sockel mit eleganter Silhouette. Besonders der Tulip Chair wurde zur Designikone – futuristisch, funktional, unverwechselbar. Diese Saarinen Stühle gelten heute als Paradebeispiel für das Mid-Century-Design, doch sie sind weit mehr als stilistische Objekte: Sie verkörpern den Versuch, Ordnung und Schönheit in das tägliche Leben zu bringen.

Florence Knoll und Eero Saarinen mit einem Prototypen der Tulip Chairs
Saarinens Werk war geprägt von einem tiefen Verständnis für den Zusammenhang von Mensch, Technik und Raum. Seine Gebäude wirken wie plastische Landschaften, seine Möbel wie bewohnbare Skulpturen. Ob im Flughafenterminal oder im Wohnzimmer – stets war er auf der Suche nach einer Form, die funktional, emotional und zeitlos ist. Seine Saarinen Stühle und der Womb Chair sind Ausdruck derselben Haltung wie seine Bauwerke: ein Glaube an eine gestaltbare Zukunft. Heute, Jahrzehnte nach seinem Tod, ist Eero Saarinen aktueller denn je. In einer Zeit, in der Gestaltungsfragen wieder stärker ins Zentrum gesellschaftlicher Debatten rücken, bietet sein Werk Orientierung. Seine Entwürfe stehen für ein Designverständnis, das nicht zwischen Architektur und Möbel trennt, sondern beide als Teile eines größeren Ganzen denkt. Der Womb Chair, die Tulip Chairs und seine Bauten sind nicht nur Zeugnisse einer Epoche – sie sind lebendige Erinnerungen daran, wie Design das Leben verbessern kann. Zusammen mit Knoll International und Vitra zeigten wir 2010 anlässlich des hundertsten Geburtstags eine große Ausstellung über den bedeutenden finnisch-amerikanischen Architekten und Designers.

Die von Herbert Matter gestaötete Knoll Anzeige für den Womb Chair erschien über Jahre im New Yorker